Livre | Chapitre
Joachim Ritter
Metaphysik und Politik
pp. 255-292
Résumé
Im Frühjahr 1929 kam es während der Davoser Hochschulwoche zum Gipfeltreffen zweier Antipoden der deutschen Philosophie. Ernst Cassirer, der eine, vertrat den schulmäßig fest etablierten Neukantianismus, den er mit seinem gerade abgeschlossenen philosophischen Hauptwerk, der Philosophie der symbolischen Formen (1923–29), auf das gesamte kulturwissenschaftliche Feld ausgedehnt hatte. Martin Heidegger, der andere, stand für eine dagegen aufbegehrende, den radikalen Neuanfang suchende Philosophie, der seit dem Erscheinen von Sein und Zeit (1927) großes nationales und internationales Interesse zuteil geworden war. Beide hielten zunächst je drei Einzelvorträge, um dann in einem Streitgespräch direkt aufeinander zu treffen. Vordergründig ging es um Kant, hintergründig um das Verhältnis von Geist und Leben. Cassirer argumentierte zugunsten der symbolschaffenden, kulturstiftenden Kraft des menschlichen Geistes, dessen »Objektivität« und »Absolutheit« jedem einzelnen Leben überlegen seien.72 Heidegger berief sich dagegen auf die »Geworfenheit« des Daseins, das die »Härte seines Schicksals« nur zu fassen vermöge, wenn es sich von allen kulturellen Vorgaben befreie.73 Zwei junge Teilnehmer hielten die Disputation für die Nachwelt fest. Mit den Zuhörern teilten sie das »erhebende Gefühl, einer geschichtlichen Stunde beigewohnt zu haben«.74 Otto Friedrich Bollnow war Student bei Heidegger, Joachim Ritter, der Koautor, Assistent von Cassirer.
Détails de la publication
Publié dans:
Gutschker Thomas (2002) Aristotelische Diskurse: Aristoteles in der politischen Philosophie des 20. Jahrhunderts. Stuttgart, Metzler.
Pages: 255-292
DOI: 10.1007/978-3-476-05252-0_8
Citation complète:
Gutschker Thomas, 2002, Joachim Ritter: Metaphysik und Politik. In T. Gutschker Aristotelische Diskurse (255-292). Stuttgart, Metzler.