Livre | Chapitre
Hans-Georg Gadamer
Hermeneutik als praktische Philosophie
pp. 198-254
Résumé
Es drängt sich förmlich auf, die Untersuchung des dritten aristotelischen Diskurses im 20. Jahrhundert mit Hans-Georg Gadamer zu beginnen. Zunächst ist er derjenige Denker, der sich, nicht zuletzt aufgrund seines hohen Lebensalters, am längsten mit Aristoteles beschäftigt hat. Im Alter von 28 Jahren veröffentlichte er 1928 als erste Probe eine Kritik von Werner Jägers entwicklungsgeschichtlicher Interpretation der aristotelischen Ethik. 1998 erschien als vorerst letztes Werk eine kommentierte und neu übersetzte Ausgabe des sechsten Buchs der Nikomachischen Ethik. Dazwischen liegen sieben Jahrzehnte des kontinuierlichen, jedoch keineswegs gleichförmigen Dialogs mit dem Griechen. Sodann läßt sich gerade an der Person Gadamers zeigen, wie weit die Anfänge der »Rehabilitierungs«-Debatte zurückreichen. Er geriet früh in den engsten Kreis um Heidegger, blieb ihm ein Leben lang verbunden und dachte dessen Denkanstöße auf eigenständige Weise im Feld der Hermeneutik und der praktischen Philosophie weiter. Sie entsprangen Heideggers frühen Vorlesungen und Seminaren zu Aristoteles, die Gadamer sowohl in Freiburg als auch in Marburg besuchte. Obendrein gewährte ihm der Lehrer viele Privatstunden, in denen sie gemeinsam Aristoteles auszulegen suchten.36 Gadamer hat diese Erinnerungen in vielen Aufsätzen und einigen biographischen Schriften übermittelt — lebendige Zeugnisse einer philosophischen Wirkung, welche die Erneuerung der praktischen Philosophie in Deutschland erst ermöglichte.
Détails de la publication
Publié dans:
Gutschker Thomas (2002) Aristotelische Diskurse: Aristoteles in der politischen Philosophie des 20. Jahrhunderts. Stuttgart, Metzler.
Pages: 198-254
DOI: 10.1007/978-3-476-05252-0_7
Citation complète:
Gutschker Thomas, 2002, Hans-Georg Gadamer: Hermeneutik als praktische Philosophie. In T. Gutschker Aristotelische Diskurse (198-254). Stuttgart, Metzler.