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Synopsis
Aristotelische Denkfiguren in der politischen Philosophie des 20. Jahrhunderts
pp. 467-486
Résumé
In der Geschichte der aristotelischen Philosophie hat es viele Brüche gegeben. Genau genommen, begann sie sogar mit einem Bruch. Neleus von Skepsis, der als letztes Mitglied des Peripatos die Manuskripte des Schulgründers von Theophrast erbte, brachte diese nach Kleinasien in die Nähe des alten Troja, wo sie 200 Jahre lang in einem Keller gelegen haben sollen. Nachdem man sie wiedergefunden hatte, wurden sie nach Athen geschafft, gelangten dort in die Hände des Konsuls Sulla, der sie seinerseits in Rom von Andronikus edieren ließ. Daraufhin kam es im 2. Jahrhundert nach Christus zu einer ersten Aristoteles-Renaissance, die den Neuplatonismus beeinflußte und besonders den arabischen Raum erfaßte. Das christliche Europa brach hingegen mit dem Griechen, als Justinian 529 der Akademie von Athen das Studium der Philosophie untersagte. Über sieben Jahrhunderte hinweg kannte es allein die logischen Schriften des Organon. Erst durch die Übersetzungen des Robert Grosseteste und Wilhelm von Moerbeke, durch die Kommentare des Albertus Magnus und Thomas von Aquin gelangte die gelehrte Welt des Hochmittelalters wieder zur Kenntnis der Metaphysik, der Nikomachischen Ethik und der Politik. Man kann sich kaum einen radikaleren Bruch vorstellen — und kaum eine enthusiastischere Renaissance. Schon Thomas sprach durchweg von »dem Philosophen«, als hätte es keine anderen Denker gegeben. Den nächsten Einschnitt vollzogen die Denker der Neuzeit, denen Aristoteles Synonym dogmatischer, autoritätshöriger Schulgelehrsamkeit geworden war. Es sollte rund 400 Jahre dauern, bis man sich abermals des Griechen besann, von regionalen Sonderformen (wie dem deutsch-niederländischen Protestantismus) und einzelnen Denkern (Hegel) einmal abgesehen. Es bedurfte erst der Katastrophe zweier Weltkriege, bis die Moderne bereit war, ihre Frontstellung gegen die Antike aufzugeben. Damit begann jene Aristoteles-Renaissance im Feld der praktisch-politischen Philosophie, die Gegenstand der vorliegenden Untersuchung gewesen ist.
Détails de la publication
Publié dans:
Gutschker Thomas (2002) Aristotelische Diskurse: Aristoteles in der politischen Philosophie des 20. Jahrhunderts. Stuttgart, Metzler.
Pages: 467-486
DOI: 10.1007/978-3-476-05252-0_14
Citation complète:
Gutschker Thomas, 2002, Synopsis: Aristotelische Denkfiguren in der politischen Philosophie des 20. Jahrhunderts. In T. Gutschker Aristotelische Diskurse (467-486). Stuttgart, Metzler.